Das Wolfenbütteler Logenhaus bot einen feierlichen Rahmen zu einer von HMA Susanne Kirbis-Kornblum, ASMA Birte Neuhoff und ihrem Team perfekt vorbereiteten und nach dem „Gemeinsamen Lager-Ritual“ gestalteten Festsitzung.
Der Festvortrag zum Thema „ KI und Einsamkeit“ bot sowohl musikalisch als auch inhaltlich einen Brückenschlag von der Vergangenheit in die Zukunft: Die Erwartungshaltungen zukünftiger Mitglieder müssen ebenso erkannt und in unsere Arbeitsweise integriert werden wie technischer Fortschritt: Es wird spannend werden, aber auch bereichernd, wenn wir uns mit Offenheit, Mut und Respekt dieser Aufgabe stellen.
Es war eine Freude, die strahlenden Gesichter der Matriarchen und Patriarchen und der Gäste zu sehen im wunderschön geschmückten Refektorium mit interessanten Gesprächen.
Man spürte, dass sich in unseren Lagern - "Sara Nr. 1" in Hamburg und "Selene Nr. 2", gegründet 1999 in Stuttgart - die Matriarchen der Aufgabe, die Kenntnis und das Wissen über die Zielsetzungen des Odd-Fellowtums in den Logen zu vertiefen und zukünftige Logenbeamte auszubilden, mit Freude auch in Zukunft widmen werden.
Der nachfolgende Festvortrag fand in Form eines Dialogs statt.
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"Unser Ritual schenkt uns Momente des Innehaltens – der Rückschau, aber auch der Neugier auf die Zukunft.
Liebe Odd Fellows, stellt euch einmal folgende Szene vor: Ihr sitzt abends allein zu Hause, ein Glas Wein in der Hand, und denkt: „Ach, ich könnte mal mit jemandem reden.“ Ihr ruft – nicht etwa einen Freund an – sondern euren Smart Speaker: „Alexa, wie geht es mir heute?“ Und Alexa antwortet - basierend auf Eurem eigenen Tonfall: „Mittelmäßig…." Möchtest du die Wettervorhersage hören?“
Willkommen in der neuen Welt. Was macht die Künstliche Intelligenz mit unserer uralten Sehnsucht nach echter Nähe? Und was können wir Odd Fellows dieser Entwicklung entgegensetzen – mit Herz, Humor und ein bisschen gesundem Menschenverstand.
Schon der Urmensch war nicht gern allein. Damals bedeutete Einsamkeit oft: Gefressen werden. Heute bedeutet sie: Netflix schlägt dir zum dritten Mal denselben schlechten Film vor.
Eine Studie besagt, dass Menschen inzwischen mehr Gespräche mit ihren Geräten führen als mit ihren Nachbarn. Das erklärt einiges über unsere Gesprächskultur – und über das Geräusch, das ein Kühlschrank macht, wenn er überfordert ist. Ernsthaft: Einsamkeit ist ein tiefes menschliches Grundgefühl. Nicht nur das Fehlen von Gesellschaft, sondern das Fehlen von bedeutsamer Gesellschaft.
Frage an uns alle: Wenn ein Algorithmus weiß, welche Pizza ich mag – fühlt er dann mit mir, wenn ich sie allein esse?
KI verspricht uns: Weniger Arbeit, mehr Freunde, Glück auf Knopfdruck! Aber mal ehrlich: Wenn Glück so einfach wäre, dann wären Fast-Food-Bestellungen ein spiritueller Akt. Humorvoll betrachtet: KI hilft uns vielleicht beim Smarthome-Lichtdimmer. Aber wer dimmt unser inneres Licht, wenn wir uns leer fühlen?
KI kann Informationen verarbeiten - aber keine Hand halten. Sie kann Empfehlungen aussprechen – aber kein echtes „Ich bin für dich da“ sagen.
Wir leben in einer paradoxen Welt: Über 3000 „Freunde“ auf Facebook, aber oft keine Hand, die uns hält, wenn wir sie wirklich brauchen. Neulich sprach ich mit jemandem, der stolz sagte: „Ich habe eine KI-gesteuerte Freundin auf meinem Handy.“ Ich fragte: „Und wie läuft’s?“ Er antwortete: „Super! Sie widerspricht nie, aber… manchmal wünsche ich mir ein echtes, nerviges Gespräch.“ Menschliche Nähe lebt von Reibung. Von Missverständnissen. Von Momenten des echten, nicht perfekten Miteinanders. Und genau das kann keine KI je ersetzen.
Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Wenn eine Maschine mich perfekt imitiert, bin ich dann noch einzigartig?
Philosophen wie Martin Buber sagten: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Begegnung heißt: Ich sehe den anderen wirklich. Ich lasse mich berühren – nicht nur von perfekt berechneten Antworten.
Dazu etwas Kopfkino gefällig? Wenn KI irgendwann unser Verhalten so genau voraussagt, dass unser Partner beim Frühstück schon sagt: „Dein Algorithmus deutet heute auf schlechte Laune hin.“ – dann wird es Zeit, sich wieder auf die alte Kunst des spontanen, echten Gesprächs zu besinnen.
Was können wir tun? Mehr, als ihr vielleicht denkt! Unsere Mission: Räume der echten Begegnung schaffen, Rituale pflegen, die Herz und Sinn ansprechen, Technologie als Werkzeug nutzen – aber das Herz nie an Algorithmen auslagern.
Wir empfehlen: Vielleicht sollten wir künftig bei neuen Mitgliedern nicht nur ihre Lebensläufe prüfen, sondern auch fragen: „Können Sie ohne Smartphone zwei Stunden Smalltalk führen? – Und bleiben Sie dabei freundlich?“
Klar, KI kann auch Gutes bewirken: Früherkennung von Depressionen, Erinnerung an Geburtstage, die wir sonst vergessen hätten oder Vermittlung von Hilfe für Einsame. Aber Achtung: KI soll unterstützen, nicht ersetzen. Sie ist unser Werkzeug, nicht unser Freund. Ein Hammer kann ein Haus bauen – oder eine Fensterscheibe einschlagen. Es kommt auf den an, der ihn hält. Dieses Bild sollten wir stets vor Augen haben und im Herzen tragen.
Die Vision einer gesunden Zukunft könnte etwa so aussehen: Stellt euch vor: KI übernimmt langweilige Routinearbeiten, Menschen gewinnen Zeit – nicht für mehr Serienmarathons, sondern für echte Gespräche, echte Freundschaften, echtes Leben. Vielleicht gründen wir in 20 Jahren eine neue Loge – „Odd Fellow-Loge Analogis Perfectis“ – die sich trifft, um bewusst Geräte auszuschalten und um altmodische Dinge zu tun: Briefe schreiben, Tischgespräche führen, Lächeln üben.
Liebe Odd Fellows, KI wird bleiben. Sie wird lernen, sie wird helfen und manchmal auch nerven.
Aber sie wird uns nie ersetzen in dem, was uns wirklich ausmacht: Unsere Fähigkeit, zu fühlen, unsere Fähigkeit, zu irren und dennoch zu lieben, unseren Wunsch, wirklich füreinander da zu sein. Lasst uns, als Odd Fellows, die Fackel der Menschlichkeit hochhalten: Mit echtem Lachen, echtem Zuhören und echtem Mut, unperfekt zu sein. Denn das schönste Programm, die eleganteste KI, die klügste Maschine – sie alle können eines nicht: Einen Moment der echten Nähe schaffen. Das bleibt unser Werk und unser Geschenk an die Welt.
Einsamkeit ist ein uraltes menschliches Gefühl – sie entsteht nicht durch das Fehlen von Technik, sondern durch das Fehlen bedeutsamer Beziehungen. Künstliche Intelligenz bietet viele Hilfen: Sie erleichtert unseren Alltag, aber sie kann echte menschliche Nähe nicht ersetzen. In einer Welt voller smarter Geräte können echte Begegnungen seltener und oberflächlicher werden.
Maschinen mögen klüger werden – aber sie können nicht lieben, nicht fühlen, nicht wirklich zuhören.
Wir sind Hüter der Menschlichkeit.
Unsere Aufgabe ist es, Räume zu schaffen, in denen echte Nähe, echtes Zuhören und echte Freundschaft möglich bleiben.
Unser Auftrag für die Zukunft ist herausfordernd: Technologie klug zu nutzen – aber nicht unser Herz an Algorithmen zu verlieren, Beziehungen zu pflegen, die jenseits digitaler Bequemlichkeit bestehen, uns daran erinnern: kein Gerät ersetzt eine echte Umarmung oder ein gemeinsames Lachen.
Künstliche Intelligenz kann vieles – aber nur der Mensch kann wirkliche Verbindung schaffen.
Und genau das ist heute wichtiger denn je.
So sei es."