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Der Gullfoss

Das nächste Ziel war der Gullfoss, Islands größter Wasserfall, und in den Augen der Isländer natürlich der größte der Welt. Irgendwie rechnen sie das immer heraus, sei es Wasser pro Sekunde oder Wasser pro  Fallmeter oder Wasser pro Regenbogendicke. Es ist aber völlig egal, es ist zweifellos ein imposanter Wasserfall von gigantischen Ausmaßen. Gull = Gold, Foss = Wasserfall, also heißt er auf Isländisch Goldwasserfall. Vor allem aber gibt es eine typisch isländische Geschichte dazu:

Der Gullfoss lag auf dem Gebiet des Bauernhofes Bratthold, und nach altem isländischen Recht gehörte er damit dem dortigen Bauern.

Anfang des 20. Jahrhunderts kamen englische Investoren auf die Insel und wollten den Wasserfall kaufen, um dort einen Staudamm zur Stromgewinnung zu bauen. Es gelang ihnen, Tómas, den Bauern des Brattholt-Hofes, dazu zu überreden und seine Unterschrift unter einen entsprechenden Vertrag zu setzen. 50.000 Isländische Kronen sollte er dafür bekommen. Seine Kinder waren entsetzt, dass der Vater den Wasserfall verraten hat.

Aber sie gaben nicht auf. Es begann ein langer Kampf, an dessen Spitze seine Tochter Sigríður Tómasdóttir focht. Sie hatte zusammen mit ihren Schwestern den ersten Fußweg zum Wasserfall angelegt, auf dem sie die ersten Touristen zu den Goldwasserfällen geleitete. 1920, dem entscheidenden Jahr, war sie 46 Jahre alt. Sie ging zu Fuß nach Reykjavik, eine Strecke von 120 Kilometern, um gerichtlich gegen den Vertrag vorzugehen. Sigríður hatte nie eine Schule besucht, konnte aber lesen und zeichnen. Ihre Gegner waren die mächtigsten und reichsten Männer der Insel, die in dem Elektrizitätswerk eine Geldmaschine witterten.

Als schon alles verloren schien, drohte sie damit, sich selbst in den Wasserfall zu stürzen. Glücklicherweise kam es nicht dazu, denn mithilfe ihres Rechtsanwaltes Sveinn Bjornsson erreichte sie, dass der Vertrag annulliert wurde und der Gullfoss Eigentum des isländischen Volkes wurde. Sveinn Bjornsson wurde später der erste Präsident Islands, Sigríður Tómasdóttir eine Volksheldin. Sie starb 1957 und gilt unvergesslich als Retterin des Gullfoss. Neben dem Wasserfall steht heute ein Stein mit ihrem Bronzerelief zur Erinnerung an ihren heldenhaften Kampf.

Bevor es wieder in den Bus ging, machten alle noch einen Besuch im Besucherzentrum mitsamt Souvenirshop. Nun sind die isländischen Souvenirshops etwas anderes als nur Verkaufsstellen von Klimbim made in China. Sie sind oft auch die einzigen Möglichkeiten der einheimischen Bevölkerung, ihre Produkte direkt an Touristen zu verkaufen, insbesondere die Strickwaren aus der heimischen Schafwolle: Mützen, Schals, Ponchos und Pullover. Fritz suchte sich einen dieser kuschelweichen Pullover aus und zog ihn auch gleich an. Im Bus erging es ihm dann wie dem Protagonisten in Patrick Süßkinds Roman „Das Parfum“: Alle wollten ihn streicheln, zwar nicht wegen seines Duftes, sondern wegen seines Pullovers. Es war kaum zu fassen, wie flauschig er war. Und Reiseleiterin Tanja freute sich, dass Fritz sich von ihrer Waschanleitung nicht hatte abschrecken lassen.