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Whale Watching

Für 13.00 Uhr war die Abfahrt zum Whale Watching vereinbart, auf Altdeutsch: Walbeobachtung. Es schien jetzt die Sonne. Jens und Anke, Jens´ Schwester, warteten zusammen mit einigen anderen auf dem Kai des alten Hafens, erwartungsvoll spekulierend, mit welchem der hier vertäuten kleinen Schiffe wir wohl fahren würden. Ob wir Schwimmwesten zum Anlegen bekommen? Ob der ein oder andere seekrank würde? Gut, wer jetzt einen Südwester dabei hatte - phantasierten wir. Jens besorgte die vorbestellten Tickets am Fahrkartenschalter und zog ein langes Gesicht, als man ihm deutete, mit welchem Schiff es gleich losgehen würde. Wir mussten ums Hafenbecken herum gehen und ein großes Motorschiff besteigen, auf dem es bereits von Russen und Tschechen wimmelte. Nichts gegen Russen und Tschechen, aber sie hatten das Schiff schon fest in ihrer Hand und alle geeigneten Relingplätze besetzt, als wir Nachzügler uns dazwischenschoben.

Wir machten das Beste daraus, mogelten uns unter die Putinauten und ergatterten dann doch den ein oder anderen Platz an der Reling. Wir hatten in freudiger Erwartung unsere Teleobjektive aufgepflanzt und die Belichtungsautomatik auf „Sportaufnahme“ gestellt: Jens, Anke, Michael, Fritz und alle anderen. Dann ging es hinaus aufs Meer. Ein eisiger Wind zauste das Haar und ließ uns zu Mützen, Kapuzen oder Südwester und Handschuhen greifen. Das Schiff stampfte kraftvoll durchs Wasser. Der Kapitän auf der Brücke hatte ein Sonar, das ihm verriet, wo ein Wal schwamm. Dort fuhr er hin. Dann sahen wir aus der Ferne schon diesen schwarzen glänzenden Rücken, der sich wie ein rollender Reif majestätisch aus dem Wasser hochwölbte und wieder verschwand, gefolgt von seiner Fluke, die elegant wie ein Turmspringer ins Wasser tauchte. Dann warteten wir. Minutenlang. Das Sonar verriet offenkundig nicht genau, wohin er schwamm, denn auch der Kapitän schaute gespannt aufs Wasser. Der Wal tat uns nicht den Gefallen, näher ans Schiff zu schwimmen, sondern im Gegenteil, er schwamm stets weg davon, aber in welche Richtung?

Es kam ein zweites Schiff, und beide Schiffe versuchten, dem Wal den Fluchtweg abzuschneiden. Dann kam ein drittes Schiff und bildete zusammen mit den beiden ersten ein Dreieck, in dessen Mitte der Wal vermutet wurde. Das Tier erkannte seine prekäre Lage und verschaffte sich mit einem hohen Luftsprung einen Überblick. Dieser Augenblick war das Highlight. Ein Raunen ging übers ganze Schiff. Der Wal war für eine Sekunde fast zur Gänze über dem Wasser - aber nur von einer Schiffsseite aus zu sehen, Pech, wer auf der falschen stand. Smartphones, Pockets, Spiegelreflex, überall klackte und schnurrte es, und doch waren die meisten zu langsam und fotografierten nur noch die Spritzer vom Abtauchen. Danach trickste der Wal die Schiffe aus und entkam, indem er unter ihnen wegtauchte. Der Versuch, ihn noch einmal einzuholen, scheiterte an seiner Schlauheit, im Zickzack davonzuschwimmen. Schließlich gaben die Schiffe auf. Fast eine Stunde dauerte die Rückfahrt.

Das Abendessen nahmen wir im Hilton-Hotel ein, weil unser eigenes Hotel keine Restauration hat. Aber auf uns 21 Restaurantgäste war auch das Hilton nicht vorbereitet. Der Oberkellner bat um eine halbe Stunde Vorbereitungszeit. Nun ja, wir hatten kein Problem, uns eine halbe Stunde im Foyer zu unterhalten. Beim Abendessen machten wir weitere Erfahrungen mit isländischen Gepflogenheiten. Erstens: alles ist mindestens ein Drittel teurer als in Deutschland; zweitens: das Personal lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil, die haben sie weg; drittens: bezahlt wird nicht beim Kellner, sondern an der  Restaurantrezeption. Sigrid, zufällig die Erste beim Bezahlen, zahlte mit ihrer Kreditkarte unwissentlich für den ganzen Tisch. Das fiel erst auf, als die anderen zahlen wollten und es nichts mehr zu bezahlen gab. Man merke: der Erste bekommt stets die Rechnung für alles. Man muss das vorher klarstellen, wenn es nicht so sein soll. Das „Beef“ aber, das die meisten bestellt hatten, war vorzüglich. Beim Abendessen nach dem Whale-Watching im benachbarten Hilton-Hotel.